Architekturgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Ferdinand Keilmann Der Architekt Ferdinand Keilmann im Systemwandel des 20. Jahrhunderts
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IV. Ferdinand Keilmann - Ein Architektenleben

IV.1. Herkunft Ferdinand

Johann Martin Keilmann wurde am 24. Juli 1907 in Würzburg geboren. Ein Jahr später kam sein jüngerer Bruder Wilhelm zur Welt, weitere 14 Monate später als letztes Kind der Familie die Tochter Agnes, genannt Bobby. Ferdinand Keilmann jun. gehörte somit zu der Generation, die in der patriotischen, siegestaumelnden Zeit des Ersten Weltkriegs aufgewachsen ist und die unerwartete Niederlage Deutschlands und die in ihren Augen schmählichen Bedingungen des Versailler Vertrages teilweise als persönliche Niederlage empfunden hat.[1]

Durch den Lehrerberuf des Vaters bedingt, zog die Familie mehrmals um, bis sie am 15. September 1915 durch eine letzte Versetzung nach Aschaffenburg gelangte.[2] Nach der Rückkehr des Vaters aus dem Ersten Weltkrieg befand sich die Ehe der Eltern in einer tiefen Krise, die Kinder lebten eine Zeit lang gemeinsam mit der Mutter vom Vater getrennt. Da Ferdinand Keilmann sen. die künstlerische und besonders die musikalische Begabung seiner Mutter, einer irischen Pianistin geerbt hatte, ging er voll in seinem Beruf als Musiklehrer auf und beschränkte sich nicht nur auf den Unterricht an der Schule. Er unterrichtete gleichzeitig in der örtlichen Musikschule und in der Zeit zwischen 1920 und 1960 war er entscheidend an vielen musikalischen Präsentationen in Aschaffenburg beteiligt. Für die große Anzahl Kompositionen, die er seit seiner Jugendzeit in und für seine Geburtsstadt Lamperteim verfaßt hatte, wurde er dort zu seinem 80. Geburtstag zum Ehrenbürger erklärt.

Die Kinder wurden nach der Geisteshaltung des Vaters in einer auf Pflichtbewußtsein und Patriotismus[3] beruhenden Grundhaltung erzogen. So schrieb Keilmann sen. an seinen ältesten Sohn in einem Brief vom 30. Mai 1937:

„Doch habe auch Du Verständnis und wachsendes Interesse an jenen wichtigsten Forderungen: Persönlichkeitsehre, Berufsehre – Familienehre. Um diese 3 Grundpfeiler gruppiert sich unser Lebensglück – unsere Existenz und nicht zuletzt das Glück unserer Mitwelt.“[4]

Ferdinand Keilmann sen. projizierte zunächst seinen musikalischen Ehrgeiz auf seine beiden Söhne, die unter allen Umständen zu Virtuosen auf ihren Instrumenten erzogen werden sollten. So engagiert und erfolgreich und beliebt er als Lehrer für Schüler außerhalb der Familie war, so tyrannisch verhielt er sich den eigenen Kindern gegenüber. Als Wilhelm Keilmanns erste Klavierlehrerin dem Vater gegenüber einmal erklärte, daß Wilhelm unmusikalisch sei, fühlte sich Keilmann sen. so sehr in seiner Ehre gekränkt, daß Wilhelm eine Tracht Prügel einsteckte. Dies sollte nicht die einzige Gelegenheit für Schläge als Maßnahme zur Erziehung von Seiten des Vaters bleiben.[5]

Die Haushaltsführung oblag, wie wohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchaus üblich, fast ausschließlich der Mutter Rosa, die durch ihre starke Religiosität das egoistische Verhalten ihres Mannes kompensierte. Ihre Aufgabe war im Laufe der Jahre vor allem in finanzieller Hinsicht sicher schwierig, da Keilmann sen. als Komponist eine große Anzahl musikalischer Werke auf eigene Rechnung verlegen ließ, ohne die wirtschaftlichen Aspekte der Drucklegung zu berücksichtigen. Außerdem war es auch zur standesgemäßen Führung eines Professorenhaushalts[6] notwendig, daß die schwereren Tätigkeiten von einer Hausangestellten erledigt wurden.

Das persönliche Verhältnis von Ferdinand Keilmann sen. und jun. blieb fast ein Leben lange Zeit kritisch und entspannte sich erst kurz vor dem Tod des Vaters im Jahre 1968. Ferdinand jun. erkrankte schon im Alter von 5 Jahren an Rachitis[7]. Diese Erkrankung war zu Beginn des Jahrhunderts noch relativ weit verbreitet und die Ursachen noch nicht eingehend erforscht. Bei ihm lag die Ursache in der Wohnsituation. Durch die schwierige finanzielle Lage, die in der egoistischen Haltung des Vaters begründet war, lebte die Familie in Nürnberg in einer unzureichenden Wohnung ohne direktes Sonnenlicht. Eva Keilmann zitiert ihren Mann, daß die Wohnung ein „dunkles Loch“ gewesen sei. Die Rachitis verursachte bei Keilmann unter anderem eine Schädigung des Innenohrs, die ihn im Laufe seines Lebens immer belasten sollte. Diese frühzeitige Schwerhörigkeit bedingte auch die spätere Berufswahl als Architekt, da eine musikalische Karriere unter diesen Umständen dem Vater fast unmöglich erschien. Für Ferdinand sen. stellte die Erkrankung seines Sohnes eine persönliche Niederlage dar; er ließ seinen Sohn über Jahre (wenn nicht Jahrzehnte) spüren, daß dessen körperliche Verfassung eine Enttäuschung sei und versagte ihm in großem Maße die Anerkennung für die trotz allem akzeptablen musikalischen und schulischen Leistungen.

Daß Ferdinand jun. trotz dieses Handicaps ein außergewöhnliches Talent zum Klavierspielen besaß und dieses auch in hervorragende technische Fähigkeiten umsetzen konnte, sollte ihm in seinem späteren Werdegang noch hilfreich sein. Sein ein Jahr jüngerer Bruder Wilhelm, der nicht nur das Klavier, sondern auch Geige und Bratsche als Instrument gewählt hatte, konnte das ähnliche Talent dazu nutzen, zunächst Kapellmeister und später Professor für Musik an dem „Richard-Strauss-Konversatorium“ in München zu werden. Zwischen Wilhelm und seinem Vater entstand im Lauf der Jahre eine starke Konkurrenzsituation auf künstlerischem Gebiet. Das Element zwischen den Familienmitgliedern, daß über den normalen Zusammenhalt hinaus ging, blieb immer die Musik. Ferdinand Keilmann sen. Kompositionen, die oft eine gewisse „Schwere“ beinhalteten, wurden in späteren Jahren von seinem Sohn Wilhelm oft überarbeitet, was ein häufiger Grund für Spannungen zwischen den beiden war.[8] Da nicht nur Ferdinand Keilmann sen., sondern auch dessen Schwester Helene Keilmann[9] das musikalische Talent geerbt hatte, bestand zumindest durch die häufigen gemeinsame Auftritte ein enges Verhältnis. Darin kann der Grund für die geringe Beachtung der Rosa Keilmann in der Familienhistorie liegen; sie war an den künstlerischen Darbietungen nicht beteiligt.


VI.2. Schule und Ausbildung

Die von Ferdinand Keilmann besuchten Schulen sind heute nicht mehr genau zu bestimmen[10], aus den Lebensläufen ergibt sich zumindest ein recht genaues Bild, wann er wo zur Schule gegangen ist. Hier spielten die Versetzungen seines Vaters bis zum Jahre 1915 eine entscheidende Rolle. Keilmann wurde 1913 mit knapp sechs Jahren in Würzburg in die Volksschule eingeschult. Im gleichen Jahr erfolgte eine Versetzung seines Vaters nach Nürnberg, vermutlich zum 2. Halbjahr im Herbst.[11] Dort blieb die Familie für zwei Jahre, im Jahre 1915 wechselte Keilmann auf eine Volksschule in Aschaffenburg, die er im Frühjahr 1918 abschloß. Bis zu diesem Abschluß hatte er trotz seiner körperlichen Behinderung wenig Schwierigkeiten, den schulischen Anforderungen gerecht zu werden. Beim anschließenden Besuch des Humanistischen Gymnasiums in Aschaffenburg konnte Ferdinand jun. auf Unterstützung durch seinen Vater jedoch nur in den ersten Jahren zählen – dies allerdings nicht, damit der Sohn das Abitur schaffen könnte, sondern weil es einem Lehrerhaushalt schlecht zu Gesicht gestanden hätte, wenn der älteste Sohn zumindest den Abschluß der mittleren Reife nicht geschafft hätte. Nachdem danach die familiäre Unterstützung wegfiel, führte die bestehende Schwerhörigkeit zu so starken Schwierigkeiten, daß Keilmann das Gymnasium verlassen mußte und vermutlich im Herbst 1921 eine Lehre als Zimmermann aufnahm.[12] Seine Rachitis hatte in den Jahren zuvor bereits mehrere Krankenhausaufenthalte notwendig gemacht.

Keilmanns Erkrankung bewirkte nicht nur die schon erwähnte Schwerhörigkeit, sondern zusätzlich eine Schwächung des Knochenbaus, die in der Lehrzeit noch stärker zum Ausdruck kommen sollte. Die schwere handwerkliche Tätigkeit des Zimmermanns führte nach kurzer Zeit zu erheblichen gesundheitlichen Problemen. Als gravierendste Folge zeichnete sich eine Rückgratverkrümmung ab, die eine Fortsetzung der Ausbildung in diesem Beruf unmöglich werden ließ und während eines folgenden fast einjährigen Keilmanns Gesellenschstück - ein SchreibtischAufenthalts in einem Sanatorium mußte er mit kurzen Unterbrechungen annähernd durchgehend im Gipsbett liegen.[13] Wieder einmal konnte Keilmann seinem Vater gegenüber nicht zeigen, daß er in der Lage war, die an ihn gestellten Erwartungen zu erfüllen. Um seine handwerklichen Ausbildung doch noch in irgendeiner Form abzuschließen, wechselte Keilmann wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 1922 in einen Tischlereibetrieb, bei dem die körperlichen Anforderungen nicht so hoch waren, da geringere Gewichte zu bewegen waren. Dort erwarb er vermutlich im Herbst 1924 den Gesellenbrief für das Tischlerhandwerk.[14]

Erwähnenswert ist hier, daß Keilmanns Bruder Wilhelm, der das Abitur ohne Schwierigkeiten (und ebenfalls ohne Unterstützung des Vaters) geschafft hatte, anschließend zunächst die Musikschule Aschaffenburg besuchte. In dieser Zeit verlangte der Vater auch von ihm, eine schwere handwerkliche Tätigkeit auszuüben.[15] Nach einem kurzen Intermezzo an der Musikhochschule München wechselte er an das Staatskonservatorium Würzburg, um sich aus der Umklammerung durch den Vater zu lösen.[16] Die schulische Ausbildung der Schwester Agnes hingegen erhielt eine völlig andere Richtung; ihr wurde nach Abschluß der Volksschule der Besuch eines angesehenen Internats ermöglicht.[17]


VI.3. Technische Lehranstalten Offenbach

Mit dem Abschluß der Lehre als Tischler erfüllte Ferdinand Keilmann die Bedingungen, die für eine Aufnahme an den Höheren Technischen Lehranstalten Offenbach am Main bestanden:

„1. die Vollendung des 16. Lebensjahres;
2. die Beherrschung des Lehrstoffs einer mehrklassigen Volksschule, die in der Regel durch eine Aufnahmeprüfung nachzuweisen ist. [...];
3. eine vorherige handwerksmäßige Tätigkeit in ein und demselben Handwerk von mindestens zwölf Monaten.“[18]

Die Ausbildung in Offenbach war nach den Richtlinien auf fünf Semester angelegt.[19] Aus der Tatsache, daß Keilmann am 1. März 1927 eine Tätigkeit bei Professor Eberhardt[20] in Offenbach aufnahm, läßt sich schließen, daß er die Schule (vorausgesetzt, er legte kein „Freisemester“ ein) vom September 1924 bis zum Februar 1927 besuchte. Hier entwickelte sich die langjährige Freundschaft zu Ludwig Dölger, einem ehemaligen Klassenkameraden seines Bruders Wilhelm, mit dem er die jeden Tag den Zug von Aschaffenburg nach Offenbach nahm. Die beiden verbrachten ihre freie Zeit in Offenbach meist mit Heinrich Jourdan, einem Schüler aus Gelnhausen.[21]
Vorbereitungen zum Künstlerfest Offenbach 1927
Keilmann bewies seine künstlerische Fähigkeiten nicht mehr nur auf musikalischem Gebiet, sondern auch im Zeichnen. So gewann er im Herbst 1927 einen zweiten Preis in einem Wettbewerb für einen Plakatentwurf für die Musikschule Aschaffenburg. Im Atelier Eberhardt hat Keilmann vermutlich für die von Eberhardt entworfenen Gebäude den Innenausbau gezeichnet; diese Tätigkeit übte er auch in dem anschließenden Beschäftigungsverhältnis aus.

Zum 9. Januar 1928 wechselte Keilmann vom Atelier Eberhardt in das Atelier des Regierungsbaumeisters Otto Leitolf in Aschaffenburg. Seine Hauptaufgaben in diesem Büro waren die „zeichnerischen Arbeiten für eine Reihe kleinerer und grösserer Neubauten, insbesondere für die Innen-Einrichtung und [...] (den) Innenausbau des Säuglingsheimes Würzburg“.[22] Parallel zu dieser Tätigkeit besuchte er die Musikschule Aschaffenburg und zeichnete für den Band über Miltenberg einer Buchreihe des Aschaffenburger Verlages Dr. J. Kirsch die Illustrationen.[23]

Nach dem Ende der Beschäftigung bei Leitolf verbleibt wieder eine Lücke im LebenslaufFerdinand Keilmann jun. mit Vater und Bruder im Aschaffenburger Schönbusch 1929 von Ferdinand Keilmann. Die in verschiedenen Lebensläufen genannte „Betätigung in eigener Praxis“[24] läßt sich heute nicht nachweisen, ebensowenig sind Hinweise auf „verschiedene beachtliche Hochbauten“ zu finden, die er nach eigenen Angaben in den folgenden neun Monaten ausgeführt hat. Fest steht, daß im Herbst des Jahres 1929 der Umzug nach Weimar erfolgte, wo Keilmann ein Studium der Architektur an der „Staatlichen Hochschule für Handwerk und Baukunst“ aufnehmen wollte.


VI.4. Studium an der Staatlichen Bauhochschule

Der Abschluß der Höheren Technischen Lehranstalten in Offenbach entsprach nicht der Allgemeinen Hochschulreife, allerdings strebte Ferdinand Keilmann kein Studium an einer Universität an; er entschied sich zum Wintersemester im September 1929, sein Studium an der Staatlichen Hochschule für Baukunst (kurz und im folgenden Staatliche Bauhochschule bzw. St.B.H.) in Weimar aufzunehmen.[25] Die Entscheidung ging wahrscheinlich auf die Freundschaft zu Ludwig Dölger zurück, der ein Freund Ferdinands war und gemeinsam mit Wilhelm Keilmann die Schule in Aschaffenburg besucht hatte.

Die Staatliche Bauhochschule war unter Prof. Dr. Otto Bartning[26] als Landeseinrichtung im Jahre 1926 als Nachfolgeinstitut des nach Dessau vertriebenen „Bauhaus” gegründet worden. Die Ideen zur Schaffung des „Bauhaus” hatte er gemeinsam mit Walter Gropius entwickelt, mußte aber aus gesundheitlichen Gründen bei der Gründung im Jahre 1919 auf die Mitarbeit verzichten.[27] Insofern ist es schon etwas pikant, daß er als Leiter der St.B.H. in Weimar Gropius „beerbte”. Bartning hatte mit dem Land Thüringen einen für ihn günstigen Vertrag ausgehandelt, der es ihm ermöglichte, auf die persönliche Anwesenheit während der Semester weitgehend zu verzichten. Er behielt sein Büro in Berlin bei und erschien in Weimar fast nur zu Sitzungen des Lehrerrats und zu den Prüfungsterminen.[28] Die Lehrtätigkeit war somit auf die übrigen Professoren der Hochschule verteilt, von denen Ernst Neufert, der neben seiner Professur die Leitung der Bauabteilung inne hatte, den größten Einfluß auf Ferdinand Keilmann hatte.[29] Neufert (1900-1986) war zum Zeitpunkt seiner Berufung zum Professor gerade 26 Jahre alt und besaß keinen akademischen Grad, was zu dieser Zeit allerdings nicht ungewöhnlich war.

Der Unterricht an der St.B.H. umfaßte nicht nur die Architektur, Bartnings Bestreben war eine künstlerische Ausbildung in verschiedenen Bereichen. Sein Lehrplan, der vergleichbar mit der Ausrichtung der geplanten und dann über längeren Zeitraum nicht vollständig installierten Bauabteilung des „Bauhaus” war, wich von der traditionellen Architektenausbildung dadurch ab, daß in den ersten zwei Semestern eine theoretische Vorschulung erfolgen sollte, die in den folgenden Semestern durch eine

„praktische Anwendung und BETÄTIGUNG AN WIRKLICHEN BAUAUFGABEN (Hervorhebungen im Original; d. Verf.) unter Führung der Lehrenden die erlangten Kenntnisse festigen und vertiefen, um so möglichst eine UNIVERSELLE DURCHBILDUNG zu erreichen. Dabei wird weniger Wert auf das flüchtige Streifen aller Baugebiete gelegt, als auf das gründliche Vertiefen in bestimmten aktuellen Aufgaben, aus deren Kenntnis dann alle anderen Gebiete leicht bewältigt werden.“[30]

Der Verzicht auf die Betrachtung der unterschiedlichen historischen Baustile wurde schon dadurch deutlich, daß kein verpflichtendes Lehrangebot in Kunstgeschichte vorgesehen war. Hier war der deutlichste Unterschied zur Architektenausbildung an anderen Hochschulen Deutschlands zu erkennen. Mit 48,5 Wochenstunden allein im ersten Semester war der Lehrplan dichtgedrängt, im zweiten Semester erhöhte sich die Zahl der Pflichtstunden sogar auf 53 Stunden. Da sich die Studentenschaft aus einem Personenkreis zusammensetzte, der entweder eine längeres handwerkliches Praktikum oder eine entsprechende Berufsausbildung hinter sich hatte, wurde im Studium zunächst Wert auf eine umfassende theoretische Grundlage der Architektenausbildung gelegt.[31] Der zeitliche und thematische Schwerpunkt lag in den ersten beiden Semestern auf den Fächern Schnellentwerfen, Entwerfen, Darstellung, Statik und Ingenieurbau sowie Innenausbau. Mit dem Eintritt in das dritte Semester wurden die Studenten in das „Aktive Bauatelier“ aufgenommen, in dem unter Anleitung der Professoren tatsächliche Bauaufgaben baureif durchgestaltet und durchgeführt wurden. Die Hochschule hat auf diesem Weg einige öffentliche und private Gebäuden geplant und gebaut. Entstanden sind auf diesem Weg beispielsweise das Wohnhaus Neuferts in Gelmeroda bei Weimar, das Studentenhaus und das Abbeanum in Jena, sowie das Musiklandheim in Frankfurt/Oder.[32]

Keilmann studierte mit einer Unterbrechung vom Wintersemester 1929/30 bis zum Wintersemester 1932/33 in Weimar; für die ersten beiden Semester erhielt er von Ernst Neufert gesondertes Zeugnis.[33] Von den verschiedenen Kursen, die im Lehrplan vorgesehen waren, hatte Keilmann zumindest den im Schnellentwerfen erfolgreich absolviert, der von Neufert selbst geleitet wurde.[34] Ziel war es innerhalb von wenigen Stunden ein Gebäude zu projektieren und diesen Entwurf in der folgenden Übung gegenüber den Kommilitonen und dem Lehrenden in freier Rede zu verteidigen.[35] Innerhalb eines Zeitraums von mehreren Wochen wurde dieser Entwurf anschließend baureif durchgeplant. Für die beiden im Bauatelier der St.B.H. im Jahre 1929 geplanten Aufträge, das Abbeanum der Universität Jena und das Wohnhaus Neuferts in Gelmeroda bei Weimar zeichnete Keilmann die Perspektiven und die Ausbauzeichnungen.[36] Dabei arbeitete er für Neufert nicht nur in der Hochschule, sondern wurde in dessen Privatatelier aufgenommen.

Neufert wurde als Lehrer zum 30. September 1930 gekündigt. Nachdem Bartnings Vertrag zum April 1930 von der Thüringischen Landesregierung nicht verlängert wurde, hatte der durch die Landtagswahl vom Vorjahr in die Regierung aufgenommene Nationalsozialist Wilhelm Frick[37] den Maler, Architekten und „Blut und Boden“-Ideologen Paul Schultze-Naumburg (1869-1949)[38] als Nachfolger installiert. Schultze-Naumburg hatte sich in den Jahren zuvor einen Namen mit der ständigen Wiederholung seiner Parolen gegen das „Neue Bauen” gemacht, welches er als „baubolschewistisch” ablehnte. Für den „Kampfbund für Deutsche Kultur”[39] war er in einer Vortragsreise quer durch Deutschland gereist und hatte mit Hilfe von teilweise qualitativ schlechten Lichtbildern zu beweisen versucht, daß die deutsch-nordische Kunst des Mittelalters durch die neuen architektonischen Ausdrucksformen „ostisch und mongoloid” verdorben seien.[40] Schultze-Naumburg betrieb gemeinsam mit Frick bis zum Herbst des Jahres den fast kompletten Austausch des Lehrkörpers der Hochschule. Folge war unter anderem, daß der Großteil der Studierenden den Lehrenden an ihre neuen Wirkungsstätten folgte. [41]

Ferdinand Keilmann blieb. Er war zu Beginn seines Studiums in engen Kontakt mit der zunächst 1926 von Otto Bartning verbotenen Verbindung „Corps Thüringen” gekommen. Bartning begründete das Verbot damit,

„daß die Gründung einer Studentenverbindung dem Nachtreten ausgefahrener Gleise gleichkäme und in keiner Weise dem Wesen der Hochschule entspräche, die es für ihre Aufgabe halte, auf allen Gebieten des Lebens neue [Unterstreichung im Original] Formen zu schaffen. Die Gründung beweise, daß sich manche Studierende über die besondere Art der Hochschule noch im Unklaren befänden...”[42]
Studenten der Weimarer Verbindung Saxo Thüringen um 1930
Das Verbot bewirkte zunächst ein Agieren der Verbindung im Verborgenen, mit dem sich abzeichnenden Ende der Ära Bartning an der Hochschule gingen die Mitglieder sofort wieder an die Öffentlichkeit. Kurz nach Aufnahme seines Studiums in Weimar, bereits am 1. Oktober 1930 trat Ferdinand Keilmann zusammen mit den anderen Mitgliedern der Verbindung in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) ein.[43]

Nachdem Schultze-Naumburg als neuer Leiter der Hochschule feststand, gehörte zu einer seiner ersten Amtshandlungen, die Verbindung endgültig öffentlich zuzulassen. Bereits zu seiner Antrittsrede am 10. November 1930 präsentierten sich die „Thüringer”[44] mit ihrer blau-weiß-schwarzen Fahne auf einer Seite des Rednerpults; auf der anderen Seite standen Mitglieder der NSDAP in brauner Uniform mit Hakenkreuzfahne.[45] Dies war das erste Mal, daß sich die Partei auf einer offiziellen Veranstaltung einer deutschen Hochschule darstellen konnte.[46]

Die Studienzeit Keilmanns verzögerte sich durch diese Umbesetzung, da die bereits besuchten Kurse von der neuen Hochschulleitung nicht anerkannt wurden. Für den weiteren Verlauf des Studiums im Jahr 1931 sind keine herausragenden Ereignisse überliefert – der Besuch der Kurse nahm sicherlich einen erheblichen Anteil an der Tagesgestaltung Keilmanns ein. In seiner studienfreien Zeit arbeitete er entweder in Neuferts Atelier, verbrachte die Zeit mit Renate Dankers, einer Studentin der in Jena ansässigen „Hochschule für Leibesübungen”[47] oder traf sich mit seinen Freunden aus der Verbindung. In einem Lebenslauf von 1936 sprach er davon, daß er in Weimar „die dortigen Kulturkämpfe“ mitgemacht habe und dieser Ausdruck ist durchaus wörtlich zu verstehen. Die „Saxo Thüringer“ verbrachten ihre Freizeit nicht nur mit exzessivem Alkoholkonsum, mit Frauen oder dem Schlagen der Mensur, sondern beteiligten sich aktiv an körperlichen Auseinandersetzungen mit Studentengruppen anderer politischer Einstellungen. Dies galt sowohl für die Weimarer Hochschule für die Zeit bis zur Entlassung des gesamten Lehrkörpers, bei dem die linksorientierte Studentenschaft geschlossen die Einrichtung verließ als auch für die Hochschulen im näheren Umkreis.[48] Zu solchen Zusammenstößen konnte es bei den häufigen Exkursionen der Verbindungsmitglieder kommen, die meist den Spuren nationaler Symbole wie der Wartburg oder dem Kyffhäuser folgten.

Das Ende dieser Zeit der „Ruhe und Normalität“ zeichnete sich mit Beginn des Jahres 1932 ab. Aufschlußreich ist ein Brief Keilmanns an seinen Vater vom 18. April 1932, in dem er unter anderem berichtet, daß er gemeinsam mit der gesamten studentischen Verbindung in die NSDAP eingetreten war, was er seinem Vater bei einem Osterbesuch kurz zuvor noch verschwiegen hatte. Im Lauf der Feiertage hatte dieser sich noch über die Nationalsozialisten aufgeregt. Wörtlich heißt es:

„[...] vergib mir nochmal, weil ich Dir damals die Wahrheit nicht sagte – das ich eingetragenes Mitglied der N.S.D.A.P. bin, weil ich aber damals zu Hause war – habe ich voll u. ganz Deine Anschauung verstanden [...]”[49]

Die Kritik seines Vaters bewirkte bei Keilmann allerdings weder eine Abkehr von der Partei, noch von der Studentengruppe, in der er Freundschaft und Anerkennung seiner Leistung gefunden hatte.

Die ursprüngliche Planung, das Studium bereits im Lauf des Jahres 1932 abzuschließen, wie es laut Lehrplan vorgesehen war, ließ sich nicht realisieren – Ferdinands jüngerer Bruder Wilhelm hatteBrief Keilmanns an seinen Vater vom 18. April 1932 in München ein Musikstudium aufgenommen und die Eltern erklärten sich außerstande, zwei Söhne gleichzeitig finanziell unterstützen. Ferdinand war gezwungen, sich Gedanken zu machen, wie es beruflich weitergehen sollte. Als Alternativen stellten sich ihm die Möglichkeit, sich ab dem März 1932 für kurze Zeit in Aschaffenburg selbständig zu machen oder über die eigene Parteimitgliedschaft und gleichzeitige Beziehungen seines Vaters Kontakte zum Aschaffenburger NSDAP-Kreisführer Wohlgemuth aufzunehmen, um so im Umkreis seiner Heimatstadt eine Anstellung zu finden.[50] Welche Alternative er gewählt hat, ist heute nicht mehr zu ermitteln, jedoch kehrte er zum 1. Februar 1933 nach Weimar zurück. Der Angabe der Aschaffenburger Meldekarte Keilmanns[51], daß er sich bereits ab dem 24. März wieder in der Stadt aufgehalten habe, widerspricht der schon erwähnte Brief, der am 28. April in Gelmeroda geschrieben wurde. Vermutlich ist Keilmann zwischen Frühjahr und Herbst 1932 ständig zwischen den beiden Städten gependelt.[52]

Inzwischen hatte sich eine unerwartete politische Entwicklung im Thüringer Landtag direkt auf die Hochschule ausgewirkt.[53] Zum 1. April 1931 mußte Frick als Innen- und Volksbildungsminister zurücktreten, auf Druck der linken Parteien wurde anschließend Schultze-Naumburg zum 1. April 1932 gezwungen, von seinem Direktorenposten der Hochschule zurückzutreten.[54]

Die Bestrebungen, die Hochschule ganz zu schließen, scheiterten; auf Betreiben der rechten Parteien des Landtags wurde sie der Stadt Weimar unterstellt. Durch einen erneuten Rechtsruck, ausgelöst durch die Landtagswahl vom 31. Juli 1932, wurden diese Änderungen wieder rückgängig gemacht und Schultze-Naumburg, der in der parallel stattfindenden Reichstagswahl sogar ein Mandat für die NSDAP erlangt hatte, zum 1. Oktober 1932 wieder als Direktor eingesetzt. Im Anschluß an das folgenden Wintersemester machte Keilmann schließlich seinen Abschluß als Diplom-Architekt[55], ein Abschluß, den er in dieser Form vorher auch nicht hätte erwerben können – die Hochschule hatte durch Ministererlaß des Thüringischen Staatsministeriums vom 28. Februar 1933 das Recht erhalten, den Titel „Diplom-Architekt” zu verleihen.[56] 

Keilmann ließ sich direkt nach Abschluß des Wintersemesters 1932/33 ein weiteres Zeugnis von Neufert ausstellen, in dessen Atelier er während der vier Jahre in Weimar regelmäßig gearbeitet hatte.Wohnhausentwurf Weimar 1933 Vermutlich hat Keilmann Neuferts Angebot vom April 1932, Keilmann könne solange bei ihm arbeiten, wie er wolle, zunächst angenommen.[57] Für die weitere berufliche Entwicklung hatte Keilmann jedoch noch keine Perspektive. Die Idee der selbständigen Tätigkeit war in der wirtschaftlichen Situation kurz von der Nationalsozialistischen Machtübernahme noch so schlecht, daß sie keine Alternative bieten konnte. Als Möglichkeit verblieb ihm die schon ein Jahr zuvor ins Auge gefaßte Idee, über die Mitgliedschaft in der NSDAP eine Anstellung bei der Stadt Aschaffenburg zu finden.[58]

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[1] Eine eindrucksvolle Beschreibung dieser Sichtweise findet sich in: Haffner, Sebastian: Geschichte eines Deutschen. Erinnerungen 1914 – 1933, Stuttgart 2000; zur Darstellung des Umgangs der deutschen Bevölkerung mit den Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die viel über die Auswirkungen der deutschen Niederlage auf gesellschaftliche Sichtweisen verrät, siehe: Schneider, Gerhard: „... nicht umsonst gefallen“? Kriegerdenkmäler und Kriegstotenkult in Hannover, Hannover 1991.
[2] F. Keilmann sen. blieb bis zu seinem Tode 1968 in Aschaffenburg; jedoch verbrachte die Familie nach der Zerstörung „seiner“ Schule sowie des Wohnhauses und der Pensionierung im Jahre 1945 fast vier Jahre in Werneck bei Schweinfurt, siehe SSA AB: Meldekarte Wilhelm Ferdinand Keilmann.
[3] Das vorhandene Kriegstagebuch von F. Keilmann sen. begründet diesen Ausdruck, gleichfalls die große Anzahl an Briefen, fast ausschließlich in Gedichtform, und besonders die verschiedenen Veröffentlichungen in örtlichen Zeitungen zu seinen Geburtstagen und musikalischen Präsentationen. Bemerkenswerterweise ist über die politischen und gesellschaftlichen Einstellungen von Rosa Keilmann in der Familie nichts bekannt.
[4] AKe.
[5] Keilmann, Robert: Wilhelm Keilmann. Ein Leben für die Harmonie, in: Keilmann, Johannes (Hrsg.): Wilhelm Keilmann. Würzburger Bilder, o.O. 1998, S. 43.
[6] Ferdinand sen. wurde 1925 zum Studienrat und 1931 zum Studienprofessor ernannt, letzteres entspricht heute in etwa dem Oberstudienrat.
[7]Die Rachitis ist eine Vitamin-D-Mangelerkrankung mit Störung des Calcium- und Phosphatstoffwechsels im Säuglings- und Kleinkindalter. Ursache liegt in der nicht ausreichenden Zugabe von Vitamin D (beispielsweise in Folge von kriegsbedingter Mangel-ernährung) oder einer unzureichenden Sonnenbestrahlung der Haut. Folgen sind Schwächungen am gesamten Knochenbau, dazu möglicher verspäteter Zahndurchbruch mit Schmelzschäden sowie mögliche Knorpelschäden u.a. in Gelenken. Diese Knorpelschäden können, sofern sie im Ohr auftreten, eine Schwerhörigkeit bis zur Taubheit verursachen.
[8] Bemerkung von Eva Keilmann, auf das persönliche Verhältnis zwischen Ferdinand sen. und Wilhelm befragt.
[9] Helene Keilmann blieb Zeit ihres Lebens ledig, von Beruf war sie technische Lehrerin an der Lampertheimer Volksschule. In ihrer Freizeit widmete sie sich wie ihr vier Jahre älterer Bruder Ferdinand der Musik. Als ausgebildete Konzertsängerin wirkte sie an vielen Konzerten mit, die von der Familie ausgerichtet wurden. Üblicherweise wurden die Einnahmen dieser Kulturveranstaltungen zugunsten tagesaktueller Hilfsaktionen gespendet (z.B. Wiederaufbau von Neckarsulm, Wiederaufbau von Heilbronn, Nationalsozialistisches Winterhilfswerk).
[10] Über den Zeitraum von 1920 bis Anfang 1924 läßt sich keine letzte Sicherheit über den schulischen und beruflichen Werdegang von Ferdinand Keilmann erzielen. Die im folgenden genannten Daten sind nur zum Teil belegt, ergeben sich jedoch aus den Begebenheiten, d.h. der zeitliche Aufwand für eine bestimmte Ausbildungsstufe (z.B. Lehrzeit, Besuch der Höheren Technischen Lehranstalt) ermöglicht das Errechnen weiterer Eckdaten; siehe auch Kapitel IV. 3 (Technische Lehranstalten Offenbach) und IV. 4 (Studium an der Staatlichen Bauhochschule).
[11] Das Schuljahr begann damals nach den Osterferien.
[12] Ob die Entscheidung, Architekt zu werden, zu diesem Zeitpunkt fiel, oder zu einem anderen, ist nicht mehr feststellbar. Allerdings ist die Aufnahme einer handwerklichen Ausbildung eine Möglichkeit, die Aufnahmebedingungen für eine Höhere Technische Lehranstalt zu erfüllen, auf der die Grundlagen für Architektenausbildung gelehrt wurden; die andere Möglichkeit war die Absolvierung eines Praktikums in einem formal passenden handwerklichen Betrieb; siehe Kapitel IV. 3 (Technische Lehranstalten Offenbach).
[13] Der Aufenthalt in diesem Sanatorium, in dem vor allem Tuberkolose-Patienten behandelt wurden, bezeichnete Keilmann später als die schlimmste Zeit in seinem Leben.
[14] Sämtliche Zeugnisse aus der Schul- und Lehrzeit sowie des Studiums sind wahrscheinlich im Laufe der Jahre verloren gegangen. Das Gesellenstück Keilmanns, ein imposanter Schreibtisch, wurde bei einem Bombenangriff im Jahre 1944 zusammen mit der Wohnung der Eltern in Aschaffenburg, Löherstr. 2, zerstört.
[15] Der Druck des Vaters, der Ferdinand in die Tischlerlehre und Wilhelm in eine Tätigkeit als Elektriker zwang, mußte durch die starke Beanspruchung der Hände zunächst ebenfalls zu einer Einschränkung der musikalischen Ambitionen der Söhne führen.
[16] Keilmann 1999, S. 35.
[17] Die Bevorzugung der Tochter durch Ferdinand Keilmann macht sich nicht nur in diesem Aspekt deutlich, sondern spricht auch aus einer Vielzahl von Briefen, Allerdings muß für die späteren Jahre auch bemerkt werden, daß sich die Tochter in schwierigen Zeiten die wichtigste Hilfestellung der Eheleute Ferdinand und Rosa Keilmann zeigte. Jedoch ist dies auch darauf zurückzuführen, daß Agnes ihr Leben lang in der unmittelbaren Nähe der Eltern wohnte, während die Brüder nach Möglichkeit weit entfernte Arbeitsstellen und Wohnorte auswählten.
[18] O.V.: Die Hessischen Baugewerkschulen. Schulverfassung, Lehrpläne und Prüfungsordnungen, Darmstadt 1909, S. 4.
[19] Ebd.
[20] Der Rektor der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main (Hrsg.): Die Geschichte der Hochschule für Gestaltung, Offenbach am Main, Frankfurt a. M. 1984, S. 61ff.: Prof. Hugo Eberhardt (1874-1959) war der Leiter der Höheren Technischen Lehranstalten in Offenbach am Main. Unter seiner Leitung wurde die Schule zu eine der führenden Einrichtungen dieser Art. Gleichzeitig unterhielt er ein Privatatelier, in dem er die jeweils besten Schüler nach Abschluß der Ausbildung für den Zeitraum von einem halben bis einem Jahr beschäftigte. Auf Eberhardts Initiative geht auch die Gründung des Leder-Museums in Offenbach zurück.
[21] Dölger und Jourdan studierten anschließend gemeinsam in Weimar Architektur.
[22] AKe; Zeugnis von Otto Leitolf für F. Keilmann vom 1. Dezember 1928.
[23] AKe; Schreiben des Verlags Dr. J. Kirsch vom 1. Februar 1928 an F. Keilmann.
[24] DOC, PK, Keilmann, Ferdinand, 24.07.07, Lebenslauf vom 1. Dezember 1935, sowie z.B. AKe; Lebenslauf vom 24. August 1944.
[25] Der Abschluß einer Höheren Technischen Lehranstalt entspricht heute in etwa der Fachhochschulreife; die Staatliche Bauhochschule hatte einen zur heutigen Fachhochschule vergleichbaren Status. Zur Geschichte der St.B.H. siehe auch Kapitel II.2 (Der Fall Thüringen).
[26] Otto Bartning (1883-1959) studierte an den Technischen Hochschulen in Karlsruhe und Berlin. Bekannt wurde er vor und nach dem 2. Weltkrieg vor allem durch seine Kirchenbauten ( u.a. ca. 50 Notkirchen).
[27] Bredow / Lerch 1983, S. 19.
[28] Preiß, Achim / Winkler, Klaus-Jürgen: Weimarer Konzepte, Weimar 1996, S. 39.
[29]Diese Aussage ist von allen Personen, die ich zu F. Keilmann befragte, bestätigt. Neufert stellte zu Beginn des „Bauhaus” unter Walter Gropius (im Jahre 1920) – überspitzt formuliert – als einziger Student die Bauabteilung dar. Seine Berufung an die St.B.H. ist auch auf den Einfluß von Hans Poelzig zurückzuführen, der an der TH Berlin-Charlotten-burg lehrte und als einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit galt (z.B.IG-Farben-Haus, Frankfurt am Main). Gropius war über den Weggang seines hervorragenden „Bauschülers” und anschließenden Bauleiters nicht erfreut – das Verhältnis zwischen beiden war daraufhin auf Jahre gestört. Neufert wurde unter den Nationalsozialisten zum „Beauftragten für Typung und Normung“ ernannt, nach dem Krieg eröffnete er ein Büro in Darmstadt, von wo er eine große Anzahl von Verwaltungs- und Industriebauten plante. Sein 1936 erschienenes Buch „Bauentwurfslehre” ist unter Architekten zwar umstritten, gilt aber dennoch als Standardwerk und hat heute eine Auflage von über einer Million erreicht. Eine umfassende Darstellung Neuferts und seines Werkes findet sich in: Prigge, Walter (Hrsg.): Ernst Neufert. Normierte Baukultur im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1999.
[30] Bartning, Otto / Neufert, Ernst: Staatliche Bauhochschule Weimar, Weimar 1927, S. 12.
[31] Nicolaisen, Dörte: Das andere Bauhaus. Otto Bartning und die Staatliche Bauhochschule Weimar 1926-1930, Weimar 1997, S. 11.
[32] Nicolaisen 1997, S. 36; Das Abbeanum wurde als Institutsgebäude für das Optische Institut und das Institut für Angewandte Mathematik der Universität in Jena gebaut und aus Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung finanziert.
[33] AKe; Zeugnis von Ernst Neufert vom 1. September 1930. Laut Neufert „beteiligte sich [Keilmann] intensiv am Unterricht, seine Leistungen im Schnellentwerfen waren zum Teil hervorragend, insbesondere entwickelte er grosse darstellerische Fähigkeiten.” Bemerkenswert an dem Schreiben ist, daß über den Briefkopf „Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst Weimar” mit Schreibmaschine der Begriff „Ehemalige” eingefügt ist.
[34] AKe; Zeugnis vom 30. September 1930. Aus einer Postkarte vom 16. Februar 1932 geht hervor, daß Keilmann die Prüfung in Kunstgeschichte am 26. Februar 1932 absolvierte; ob er diese Prüfung zweimal ablegen mußte, weil eine Prüfung aus der Zeit unter Bartning evtl. nicht anerkannt wurde, ist nicht bekannt.
[35] Gräff, Werner (Hrsg.): Staatliche Bauhochschule Weimar 1929, Weimar 1929, S. 8.
[36] AKe; Auftrag Neuferts an Keilmann vom 20. August 1930.
[37] Siehe Kapitel II. 2 (Der Fall Thüringen).
[38] Paul Schultze-Naumburg wurde am 10. Juni 1869 in Naumburg als Paul Schultze geboren, den Namenszusatz fügte er zur Vermeidung von Verwechslungen während seines Studiums der Malerei in Karlsruhe an. Zur Architektur kam er als Autodidakt. Galt er bis zum Ersten Weltkrieg noch als Reformer, so war ihm nach 1920 die anscheinende ideologische Nähe des Neuen Bauens zum Kommunismus ein Greuel, daß er auf das schärfste bekämpfte. Er wurde zum Chefideologen des frühen Nationalsozialismus, wurde jedoch nach Hitlers Machtübernahme nicht nach Berlin berufen und empfand dies als Schmach. Nach der Pensionierung im Alter von 70 Jahren, die gegen seinen Willen geschah, zog er sich völlig zurück. Er starb völlig mittellos und erblindet in Jena.
[39] Siehe Kapitel II.1 (Ausgangssituation in Weimar).
[40] Borrmann, 1989, S. 187; Schultze-Naumburg nahm mit dieser Art der Präsentation die spätere Entwicklung zur Darstellung von „Entarteter Kunst” in der Zeit des Nationalsozialismus vorweg.
[41] Der Großteil der Studenten wechselte an die „Itten-Schule” in Berlin, die dem Bauhaus nahe stand; hier unterrichtete zeitweise auch Ernst Neufert. Insgesamt blieben nur ca. 15 Studenten in Weimar, siehe Vossische Zeitung vom 14. August 1930. Der dortige Artikel behandelte in erster Linie die Umgestaltung der wissenschaftlichen Zielrichtung unter Schultze-Naumburg. Unter anderem wird erwähnt, daß „die Anordnung eingeführt [wurde], daß in der Abteilung für bildende Künste die Aktmodelle nicht mehr nackt sein dürfen, sondern mit Badehose bekleidet sein müssen.” Die Zahl von 15 Studenten stimmt in etwa mit der Anzahl Personen überein, die auf Fotos der Verbindung „Corps Thüringen” im Nachlaß Keilmann vorhanden sind.
[42] Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst; Protokoll der Sitzung des Lehrerrats vom 16. November 1926.
[43] AKe; diese Angabe auf einem Fragebogen Keilmanns zum „arischen Nachweis” vom 31. Januar 1936 widerspricht einer Angabe auf einem Parteizeugnis Keilmanns aus dem Jahre 1935. Keilmann selbst gab als Eintrittsdatum den 1. Oktober 1929 an. Da Keilmann bei der Wiedergabe von biographischen Daten nicht sehr zuverlässig war, ist das spätere Datum hier wahrscheinlicher.
[44] Thüringer Allgemeine Zeitung, 12. November 1930: Der Kurswechsel bei den Weimarer Kunsthochschulen. Schultze-Naumburg und Frick als Taufredner.
[45] Ebd.
[46] Borrmann 1989, S. 192.
[47] Diese Hochschule wurde von Keilmann immer als „Hochschule für Liebesübungen” bezeichnet. Eine geplante Hochzeit mit Renate Dankers scheiterte am Veto ihrer Eltern, da diese als Protestanten keinen Katholiken als Schwiegersohn akzeptieren wollten.
[48]Frau Uta Rothmund-Pauler, die Tochter von Peter Rothmund, welcher ebenfalls Mitglied in der Verbindung war, bestätigte mit in einem Telefonat mindestens eine Schlägerei mit Studenten der Erfurter Universität. Rothmund war ein sehr guter Freund Keilmanns in der Weimarer Zeit. nach dem Krieg wurde er Stadtbaurat in Bamberg und prägte maßgeblich den Wiederaufbau der Stadt.
[49]AKe; Brief von F. Keilmann jun. an F. Keilmann sen. vom 18. April 1932. Der weitere Inhalt dieses sechsseitigen Briefes ermöglicht umfangreiche Einsichten in die Motivation Keilmanns in die NSDAP einzutreten.
[50] Ebd.
[51] SSA AB; Die Meldekarte wurde am 30. März 1932 erstellt, die vorherigen Orte, an denen Keilmann gemeldet war, wurden nachgetragen. Da er die Karte selbst unterschrieben hat, war er vermutlich am Tag der Erstellung in Aschaffenburg anwesend. Bis auf die Unklarheit des Zeitraums von März 1932 bis Februar 1933 war diese Meldekarte ein wichtiger Beleg für die Nachprüfung von biographischen Daten zwischen 1915 und 1950.
[52] Grund für die Reisen könnte eine Beschäftigung im Atelier Neufert oder seine Beziehung zu Renate Dankers gewesen sein.
[53] Im folgenden: Schädlich 1985, S. 39f.
[54] Pinkwart, Klaus-Peter: Der Kunstreformer, Architekt und Gestalter Paul Schultze-Naumburg und die Weimarer Hochschule unter seinem Rektorat in den dreißiger Jahren, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, Heft 4/5 1995, S. 80.
[55] AKe; Nach einer handschriftlichen Notiz auf einem Melde- und Personalbogen für die Stadt Bochum aus dem Jahr 1954 wurde das Diplomzeugnis von Keilmann am 16. Juni 1933 ausgestellt. Da sich in den privaten Unterlagen nur Arbeits- und keine Schul- oder Hochschulzeugnisse fanden, bietet diese Angabe den einzigen Hinweis auf das genaue Abschlußdatum. Die würde allerdings bedeuten, daß Keilmann seine anschließende Tätigkeit in Aschaffenburg zunächst ohne Abschluß angetreten hat und zum Erwerb des Diploms noch mindestens einmal nach Weimar reisen mußte. Überprüfen läßt sich dieser Sachverhalt heute nicht mehr.
[56] Schädlich 1985, S. 42. Die Bemühungen, eine Gleichstellung des Abschlusses mit dem Ingenieur-Grad der Technischen Hochschulen zu erlangen, waren damit noch nicht erreicht; diese erfolgte erst im Jahr 1942 durch einen ministeriellen Erlass. Die Gleichstellung betraf jedoch nur die Absolventen, die zum Zeitpunkt des Erlasses ihren Abschluß noch nicht gemacht hatten. Allerdings war der Titel des Dipl.-Arch. einzigartig; Absolventen der Weimarer Hochschule waren daran sofort zu erkennen.
[57] Neufert stellte auch in diesem Zusammenhang seine Geschäftstüchtigkeit unter Beweis. Da er sich der schwierigen Situation der Studenten bewußt war, überhaupt eine Tätigkeit zu finden, ließ er seine Mitarbeiter annähernd ohne Bezahlung arbeiten: AKe; Brief von Keilmann an F. Keilmann sen. vom 18. April 1932: „Bei Neufert arbeite ich immer noch [...] – daß ich mich ausnützen lasse zu seinem Vorteil. Da ich keinen Pfennig bekomme – nur mein Mittagessen.”
[58] Ebd.

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George Santayana (1863 - 1952)