Nach dem Sieg
über
Frankreich im Herbst 1940 und den „erfolgreichen“
Eroberungen im Osten hofften viele Menschen im Deutschen Reich, dass
nach einem
– glaubte man der Propaganda – kurzfristig
möglichen Triumph über England der
Zweite Weltkrieg gewonnen sei. Hitlers Überfall auf Russland
und der
eskalierende Bombenkrieg über Deutschland, welcher
zunächst eine Reaktion auf
die Bombardements auf englische Städte durch die deutsche
Luftwaffe war, machte
ab 1942 deutlich, dass das Kriegsgeschehen in bisher nicht gekanntem
Maße auch
die Zivilbevölkerung treffen würde. Die steigenden
Zahlen an durch Bomben
zerstörten Gebäuden, zunächst in den
norddeutschen Städten, und der immer
größer werdende Radius der britischen
Bomberverbände, bewirkte eine steigende
Wohnungsnot, die sich aufgrund der Umstellung auf Kriegswirtschaft und
Abzug
weiter Teile an Fachleuten aus dem Bauwesen nicht mehr mit den Mitteln
des
„Friedenswohnungsbaues“ lösen
ließ. Das nationalsozialistische Regime musste
provisorische Lösungen entwickeln, wenn die
„Heimatfront“ nicht wegen fehlender
Unterkünfte für Ausgebombte zusammenbrechen sollte.
Als
am 17. September 1942 Dr. Robert Ley als Reichskommissar für
den sozialen
Wohnungsbau[1]
eine
„Anordnung über Sondermaßnahmen zur
beschleunigten Schaffung von Behelfsbauten
für die Unterbringung für
Bombengeschädigte“[2]
veröffentlichte, war eine interne Diskussion um die
Trägerschaft dieser von
Seiten der Staats- und Parteiführung als kriegswichtig
angesehenen Baumaßnahme
zunächst beendet. Albert Speer konnte sich in seiner
Dreifachfunktion als
Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt
(GBI),
Rüstungsminister und GB-Bau nur teilweise gegen seinen im
Kampf um die
Vorherrschaft im Bauwesen ärgsten Widersacher Robert Ley
durchsetzen; die
Anordnung vom 17. September erfolgte „zusammen mit dem Herrn
Reichsminister für
Bewaffnung und Munition und Generalbevollmächtigten
für die Regelung der
Bauwirtschaft“ (GB-Bau) und „im Einvernehmen mit
dem […] Herrn Reichsminister
des Innern und dem Herrn Reichsminister der Finanzen“.[3]
Nur wenige Tage vorher, am 26. August 1942, hatte Speer an Ley ein
Schreiben
gerichtet, in dem er Leys Bemühungen zur Unterbringung von
Ausgebombten in
101.000 Holzhäusern als undurchführbar bezeichnete,
da die Kontingente für die
von Ley geplanten Haustypen nicht vorhanden seien.[4]
Ley war nicht der einzige, mit dem Speer sich in der Kompetenz zum
Behelfswohnungsbau
für Ausgebombte auseinandersetzen musste. Bereits im Juli 1942
hatte das
Reichsarbeitsministerium unter Franz Seldte öffentlich den Bau
von Notwohnungen
verkündet, und war daraufhin von Speer, der die
Baustoffkontingente verwaltete,
kühl zurückgepfiffen worden;[5]
Seldtes Autorität war daraufhin so beschädigt, dass
Ley sich mit der Forderung
nach Erweiterung seiner Kompetenzen vom sozialen auf den gesamten
Wohnungsbau
bei Hitler durchsetzen konnte. Durch den „Dritten
Erlaß über den Wohnungsbau
nach dem Krieg“ vom 23.10.1942[6]
wurden bis auf wenige Reste die gesamten Verantwortlichkeiten
für den
Wohnungsbau aus dem Reichsarbeitsministerium herausgeschnitten und der
nun
Reichswohnungskommissar (RWK) genannten Dienststelle Leys zugeordnet.[7]
Speers Unterstützung für Ley bei der Erlangung der
erweiterten Kompetenzen
sorgte in der nationalsozialistischen Führungsriege
für Verwunderung, so bei
Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Lammers und dem machtvollen
Leiter
der Parteikanzlei, Martin Bormann; allerdings hatten Ley und Speer in
einer
unveröffentlichten Zusatzvereinbarung die Kompetenzen
für den
Nachkriegswohnungsbau so untereinander aufgeteilt, dass es Speer leicht
fiel,
den in seinen Augen nur mäßig kompetenten Ley zu
unterstützen.[8]
Im Rahmen dieser einvernehmlichen Verhandlungen ließ Speer
die Planung der zu
errichtenden Notbauten seinem Normungsbeauftragten Ernst Neufert
übertragen.
Kaum
ein Baufachmann hat das Bauwesen des 20. Jahrhunderts so entscheidend
mitgeprägt wie Ernst Neufert (1900-1986), und dies gerade
nicht als Architekt,
sondern als Autor eines der wichtigsten Fachbücher der
Architektur; die Rede
ist von der Bauentwurfslehre, welche 1936 erstmals erschien und deren
Auflage
bis heute – übersetzt in viele Sprachen –
die Millionengrenze überschritten
hat. Neufert hatte ab 1919 bei Walter Gropius am Bauhaus in Dessau
studiert,
fungierte von 1922 bis 1924 als Bauleiter auf Gropius’
Baustellen und wurde von
Otto Bartning ab 1926 zum Professor und Leiter der Bauabteilung an der
Staatlichen Bauhochschule in Weimar berufen,[9]
welche in die Räumlichkeiten des nach Dessau vertriebenen
Bauhaus einzog und
eine ähnlich moderne, allerdings weniger radikale
Formensprache vermittelte.
Als im Frühjahr 1930 die Nationalsozialisten als Testfall
für das Reich in die
Thüringische Landesregierung eintraten, verlor er zusammen mit
dem größten Teil
der Lehrenden seine Anstellung (Bartnings Position nahm der
„Blut- und Boden“-Ideologe
Paul Schultze-Naumburg ein), blieb aber der Stadt zunächst
durch sein Wohnhaus
im nahe gelegenen Gelmeroda verbunden. Dort hatte er erstmals an einem
kompletten Bau die von ihm vertretene Normierung, allerdings noch im
metrischen
Raster, umgesetzt.[10]
Nach
einigen Jahren freier Architektentätigkeit und
längeren Auslandsaufenthalten
kehrte er 1936 nach dem überwältigenden Erfolg der
frühen Auflagen der
Bauentwurfslehre nach Deutschland zurück und wurde im Juli
1938 von Albert
Speer zu dessen Beauftragten für die Rationalisierung des
Berliner Wohnungsbaus
berufen.[11]
Zusammen mit der Ausweitung von Speers Kompetenzen erlangte Neufert
immer
größeren Einfluss auf weite Teile des Bauwesens;
über das
Reichsluftfahrtministerium erhielt er 1939 den Auftrag
„Typenpläne für
verschieden Fabrikationszwecke der Luftfahrtindustrie zu
entwickeln“,[12]
aus denen bis 1942 das „IBA“
(Industriebaumaß) mit einem Achsabstand von 2,50
Metern entstand, welches anschließend auf den gesamten
Holzbau, auf die Bauten
der Industrie und sämtliche Unterkunftsbauten ausgeweitet
wurde. Die
Entwicklung gipfelte schließlich in der DIN 4171.[13]
Ab
1944 übernahm Neufert im Wiederaufbaustab zerstörter
Städte, dem unter anderem
auch Rudolf Wolters, Konstanty Gutschow, Herbert Rimpl und Wilhelm
Wortmann
angehörten, den Bereich Normung. Bereits kurz nach Kriegsende,
im November
1945, wurde er in Darmstadt – den Posten des Rektors lehnt er
ab – auf eine
halbe Professorenstelle berufen, die ab 1946 in eine volle Professur
umgewandelt wurde. Als Autor der Bauentwurfslehre und als erfolgreicher
Industriearchitekt war er nun auf drei verschiedenen Ebenen
tätig und nahm so
einen umfassenden Einfluss auf die Architektur der Nachkriegszeit.
Hochdekoriert, unter anderem mit dem Ehrendoktor der
Universität Innsbruck und
dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik
Deutschland, starb
Neufert 1986 in der Schweiz.
Bereits
ab 1941 hatte sich die Wohnsituation durch die fortschreitende
Bombardierung in
einigen Städten so verschlechtert, dass Speer als GB-Bau die
Errichtung von
zweigeschossigen Behelfsbauten für Arbeiter der
Rüstungsindustrie[14]
forcierte. Aus diesen Behelfshäusern, die aus Tafelbauweise
errichtet worden
waren, entwickelte Neufert einen Typ, „der räumliche
Vorteile neben größter
Ökonomie in der Herstellung und im Baustoffverbrauch
gewährleistete.“[15]
Die Häuser wurden im Vierspännertyp mit je 4 Drei-
und Vier-Zimmer-Wohnungen
geplant, wobei sich die Wohnungen um einen Installations- und
Entlüftungskern
herum gruppierten.[16]
Für diese Häuser, welche zusätzlich mit
normierten Möbeln ausgestattet waren,
legte Neufert ein umfangreiches Baubuch vor, in dem sämtliche
Pläne,
Materialmengen und besondere Hinweise für die Errichtung der
Bauten angegeben
waren. Für einzelne Teilbereiche, gerade auch in der
technischen Installation,
waren zusätzlich die Kontaktdaten der jeweiligen Hersteller
genannt, welche
während der Errichtung als Ansprechpartner zur
Verfügung stehen sollten.[17]
Die
Baugenehmigung für diese
„Behelfsunterkünfte für
Bombengeschädigte“ (BfB)
genannten Häuser war durch Leys Erlass
über die
„Wohnraumversorgung der
Bevölkerung im Kriege“[18]
generell erteilt. Für die Finanzierung der Bauten waren
grundsätzlich die
Gemeinden verantwortlich, jedoch konnten Anträge auf
Vorleistung durch das
Reich gestellt werden.[19]
Die schleppende Zuteilung von Kontingenten durch den Generalbeauftragte
für
Holz, Generalarbeitsführer Künzel, machte es aber
bereits früh notwendig, auf
andere Konstruktionsformen zurück zu greifen. Im Heft 13/14
vom Juli 1943 der
Zeitschrift „Der Wohnungsbau in Deutschland“ wurden
verschiedene Konstruktionsprinzipien
dargestellt,[20]
die
BfB wurden, sofern sie im Montagebau durch ungelernte Arbeiter
errichtet werden sollten,
zugunsten weiterer
Materialersparnis und Vereinfachung der Arbeitsabläufe
nochmals überarbeitet
und erhielten nun die Bezeichnung
„Kriegseinheitstyp“; bei der Konstruktion von
Decken-, Dach- und Wandelementen wurde darauf geachtet, dass Bauteile
von
verschiedenen Herstellern je nach Verfügbarkeit in die
Gebäude integriert
werden konnten. Da Neufert, wie bereits erwähnt, seine
Konstruktionen auf das
Oktameter-System abgestellt hatte, waren die beteiligten
Herstellerfirmen
gezwungen, die Produktion von Fertigbauteilen auf eine passende
Rastermaße wie
z.B. 125-cm- bzw. 62,5-cm-Teilung zu ändern.
Nicht
nur die Gestaltung der Häuser stand in den
Überlegungen der Planer im
Mittelpunkt, sondern ebenso die Standorte, an
denen die
Behelfsbauten
errichtet
werden sollten. Unter dem Eindruck des Bombenkrieges wurden Fragen des
Luftschutzes und der Auswirkungen von Bombenangriffen auf die einzelnen
Konstruktionen diskutiert und gleichfalls
behelfsmäßige Luftschutzmaßnahmen
für
die Bewohner verordnet.[21]
Ob allerdings diese am Zeichen- und Schreibtisch entstandenen Vorgaben
in der
Realität umgesetzt wurden, ist heute nicht mehr
nachprüfbar.
Für
die Errichtung von Bauten standen im 3. Kriegsjahr nur noch
eingeschränkt Facharbeiter
zur Verfügung, so dass bei der Errichtung von
kriegswichtigen
Zivilbauten meist nur wenige deutsche Facharbeiter, jedoch in
großer Zahl
Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Während die Zahl der
Facharbeiter sich meist
aus Kriegsversehrten oder bereits pensionierten
Baufachleuten zusammensetzte,
handelte es sich bei den Zwangsarbeitern, welche für die
BfB-Aktion eingesetzt
wurden aufgrund ihrer Herkunft um so genannte
„Ostarbeiter“, welche aus Polen,
Russland oder anderen im Osten liegenden besetzten Gebieten in das
deutsche
Reichsgebiet verschleppt wurden. Organisiert wurde der Arbeitseinsatz
von der
„Bauhilfe der Deutschen Arbeitsfront GmbH“, welche
1941 zur Unterstützung des
sozialen Wohnungsbaus im Auftrag von Robert Ley gegründet
worden war und von
dem Präsidenten der Abteilung C – Rationalisierung
des Bauvorgangs der
Deutschen Akademie für Wohnungswesen e.V.(DAW), Dipl.-Ing.
Hans Schönbein,
geleitet wurde.[22]
Die
Bauhilfe war im gesamten Reichsgebiet mit 16 sogenannten
Bauhöfen vertreten,
welche mit Material, Arbeitern und Fuhrpark ausgestattet waren. In der
Spitze
stellte die Bauhilfe bis zu 11.500 Zwangsarbeiter für
unterschiedlichste
Aufgabegebiete, allein für die BfB-Aktion war etwa die
Hälfte des Mitarbeiterbestandes
eingesetzt; die andere Hälfte kam entweder für
indirekte Produktion bzw. fremde
Aufgaben in Einsatz oder war aus verschiedenen Gründen nicht
verfügbar.[23]
Eine
Besonderheit unter den Bauhöfen der Bauhilfe stellte der
Bauhof Berlin-Nord
dar, da sich dort auf dem gleichen Gelände an der Karower
Chaussee in
Berlin-Buch auch einer der wichtigsten Standorte DAW[24]
befand. Die Bauhilfe errichtete hier im Auftrag der DAW verschiedene
BfB-Bauten
in unterschiedlichsten Konstruktionsvarianten. Als Grundtyp fungierte
der
Holzbau-Typ, allerdings war eine ganze Reihe von Unternehmen
beauftragt, eigene
Entwicklungen mit verfügbaren Baustoffen und in
Montagebauweise voranzutreiben;
zu nennen sind hier die Firmen Beton & Monierbau, die Deutsche
Bau AG als
Tochter der Deutschen Arbeitsfront, ein Behelfstyp nach dem Architekten
Jüngst
sowie die Firmen Pfleiderer, Degussa und Preussag.[25]
Entgegen
den Ankündigungen von Robert Ley, dass im ersten Quartal nach
Einrichtung einer
Hilfsaktion für Ausgebombte mit der Errichtung von 25.000
Wohneinheiten in
Behelfsbauten zu rechnen sei,[26]
machte sich mit der fortschreitenden Dauer des Krieges die mangelhafte
Koordination zwischen den konkurrierenden Dienststellen bemerkbar. Ley
hatte
zwar von Speer den Auftrag bekommen, die genannte Anzahl an Bauten zu
errichten, jedoch scheiterte die Umsetzung auch daran, dass
ausgerechnet von
Seiten des GB-Bau, welcher Speer ausdrücklich
persönlich unterstand, die
notwendigen Kontingente für die Fertigstellung der Bauten
nicht oder nur
schleppend zur Verfügung gestellt wurden.[27]
Gerade die beiden Grundbaustoffe Holz und Eisen waren einer strengen
Kontingentierung unterworfen, so dass Ley mit seiner Dienststelle in
Kooperation mit Neufert gezwungen war, nach Ersatzbaustoffen zu suchen.
Aufgrund des Erlasses Hitlers vom 13.1.1943, nach dem
sämtliche Entwicklungen
zum Friedenswohnungsbau als nicht mehr kriegswichtig einzustellen seien,[28]
nutzte Ley die
freiwerdenden Kapazitäten und
beauftragte sein Forschungsinstitut, die DAW, die erste
Behelfsheimaktion zu
unterstützen. Trotz des Wegfalls der UK-Stellung einer
großen Zahl von
Mitarbeitern übernahm die Abteilung Typung und Normung die
Aufgabe, neben den
verbliebenen kriegswichtigen Normungsaufgaben die Planung für
die
Behelfsunterkünfte zu begleiten.
Dass
hier mit Prof. Dr. Hans Spiegel ausgerechnet einer der
größten Kontrahenten von
Neufert bezüglich der Ausgestaltung der Normung im Wohnungsbau
als
Abteilungsleiter fungierte, war der Aktion für
Behelfsunterkünfte für
Bombengeschädigte sicherlich nicht besonders
förderlich. Neufert und Spiegel
waren bereits in der Frage der Ziegelsteinnormung aneinander geraten
und
sollten sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs immer wieder
auseinander
setzen.[29]
Das von Neufert bevorzugte Oktameter-System lehnte Spiegel kategorisch
ab,[30]
darüber hinaus wurde bezüglich der
Beschäftigung eines wichtigen Mitarbeiters
in beiden Dienststellen ein ausgiebiger kontroverser Schriftverkehr
geführt.[31]
Letztendlich setzte Neufert sich durch seine leitende Funktion im
Deutschen
Normenausschuss bis zum Frühjahr 1945 in erheblichem
Maße mit seinen
Vorstellungen von Baunormung durch und prägte so nachhaltig
den Wiederaufbau in
Westdeutschland.
Ley
verkündete 1943 im Dezemberheft seines amtlichen Organs,[32]
dass im Rahmen des BfB bereits 25.000 Wohnungen errichtet worden seien;
verglichen
mit den Zahlen, die bei Ankündigung der Aktion gefallen waren,
musste der
Versuch, die steigende Wohnungsnot zu bekämpfen als
gescheitert angesehen
werden. Nach internen Papieren des RWK belief sich am 1.3.1944 die Zahl
der in
Auftrag gegebenen Behelfsheime gerade auf 1316,[33]
wobei noch Kontingente für 81 weitere Häuser zu
verteilen waren. Insgesamt
waren Ende 1943, ein Jahr nach Beginn der Aktion, bei 16 Wohnungen pro
Haus
insgesamt 22.352 Wohneinheiten im Stadium zwischen bewohnbar und in
Planung.
Ein Teil dieser Häuser fiel entgegen der
ausdrücklichen Anordnung für Wohnzwecke
aus, da sie für Verwaltungsaufgaben, beispielsweise
für die DAW, zweckentfremdet
wurden, und andere waren durch Bombeneinwirkung schon wieder
zerstört.[34]
Die
immer wichtiger werdende Frage des Brandschutzes bedingte in der
Konstruktion
der Behelfsunterkünfte eine Forcierung der Verwendung von
Stahlbeton-Fertigteilen,
da diese die Brandgefahr verringerten und dem fortschreitenden
Holzmangel
entgegenwirken konnten.[35]
Eine ganze Reihe von Firmen, die teilweise schon seit Beendigung des
Ersten
Weltkriegs an der Entwicklung von rationellen Fertigungsmethoden mit
Stahlbeton-Fertigbauteilen arbeiteten, entwickelte nun zusammen mit
Neufert und
der Abteilung Typung und Norm der DAW Montagebauverfahren für
Behelfsunterkünfte. Allerdings zeigte sich in der praktischen
Umsetzung auf dem
Versuchsgelände der DAW, dass die Erwartungen an die
Umsetzbarkeit dieses
Bauverfahrens zumindest unter den Bedingungen des Krieges, einhergehend
mit
einem Mangel an Facharbeitern und dem Versuch, diesem Mangel durch
Zwangsarbeiter abzuhelfen, nicht erfüllt werden konnten. Die
Bauteile bzw.
deren Grundstoffe erreichten wegen der schwierigen Transportsituation
die Baustelle
nicht oder nur schleppend, und Materialmangel, unausgereifte
Konstruktionen und
fehlende Fachkenntnis bewirkte eine stark überhöhte
Ausschussproduktion.[36]
Neben
den namentlich durch verschiedene Firmen entwickelten Bauweisen der BfB
existierte eine „Normalbauweise“, welche aus
vorhandenen Baustoffen wie z.B.
„Ziegeln, normal- und großformatigen
Leichtbaustoffen und dergl.“[37]
errichtet wurde. Unabhängig vom Material für die
Wände kam für das Fundament
nur Stampfbeton, für das Dach Stahlbeton-Fachwerkbinder mit
Faserbeton-Eindeckung
auf stahlseitenarmierten Dachlatten und für die Decken eine
„Massivkonstruktion
aus Stahlbetonfertigteilen (Katzenberger Decke o.ä.)“[38]
in Frage. Dipl.-Ing. Kramer, im Herbst 1943 Abteilungsleiter in
Abteilung
Baustoffe der DAW, stellte in seiner weiteren Ausarbeitung die
Besonderheiten
der einzelnen Konstruktionen einzelner Bautypen heraus,
abschließend erfolgte
ein Vergleich der unterschiedlichen Konstruktionsarten in Bezug auf die
sparsame Verwendung von kontingentierten Baustoffen; beispielsweise
stellte er
beim Einsatz der zwei unterschiedlichen Deckenkonstruktionen nach
Katzenberger
und Preussag (Rüdersdorfer Decke) fest, dass der Einsatz der
Preussag-Decke
gegenüber der Katzenberger Decke je m²
Deckefläche eine Einsparung von 2,3 kg,
hochgerechnet auf einen Kriegseinheitstyp also ca. 1,9 to eingespartes
Eisen
bedeutete.[39]
In
weiterführenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen der DAW wurde
für die einzelnen
Baustoffe zusätzlich der Energiebedarf in Tonnen Kohle
berechnet, um bei diesen
immer knapper werdenden Rohstoffen Ersparnisse zu erzielen.[40]
Neufert
gab im April 1944 vermutlich für die interne Nutzung durch die
Bauhilfe eine
Beschreibung für
Behelfsunterkünfte
für
Bombengeschädigte heraus, die in Teil A
„für alle Massivbauweisen
gültigen Bauteile und die erforderlichen
Baustoffmengen hierzu“ und im Teil B
„Beschreibungen der einzelnen Bauweisen,
ihrer besonderen Einzelteile und erforderliche
Baustoffmengen“ beinhaltete.[41]
Neben umfangreichen Hinweisen auf vorhandene Planunterlagen enthielt
die
Baubeschreibung sämtliche Vorgaben über
Materialstärken, Konstruktionsdetails,
Verarbeitungsanweisungen und Ansprechpartnern, sofern beispielsweise
bei der
Elektro- oder Wasserinstallation Schwierigkeiten auftraten. Im Rahmen
eines sparsamen
Einsatzes von knappen Baustoffen waren die Verzeichnisse der
notwendigen
Materialkontingente und Mischungsverhältnisse unbedingt
erforderlich; hieraus
ließ sich ablesen, dass für die Verwendung von 100
m² Katzenberger Kellerdecke
2,8 to Zement und 19 to Zuschlagstoffe und für weitere 400
m² Katzenberger
Erdgeschossdecke weitere 10,7 to Zement und 62 to Zuschlagstoffe
erforderlich
waren.[42]
Die Decken waren damit die
Bauteile mit dem
größten Zementverbrauch und boten das umfangreichste
Einsparpotential. Für die
Deckenfläche sollten 2.020 kg Baustahl zum Einsatz kommen, der
Gesamtbedarf an
Eisen belief sich auf 6.001,1 kg pro Behelfsunterkunft.
Um
die Verwendung von Holz so wirtschaftlich wie möglich zu
gestalten, wurden für
BfB im Auftrag der DAW genormte Möbel entwickelt, die den
Menschen in den knapp
geschnittenen Räumen ein Grundniveau an Komfort bieten
sollten, sofern die
Ausgebombten nicht (mehr) über eigene Möbel
verfügten; beauftragt mit der
Entwicklung dieser Möbel wurden beispielsweise Hermann
Gretsch, der als
prominentes Mitglied des Werkbund für seine
Geschirr-Entwürfe im Auftrag der
Firma Arzberg einen Designpreis erhalten hatte, und Hans Schwippert,
der nach
dem Krieg mit der Renovierung der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin und
dem
Entwurf des Plenarsaals für den Deutschen Bundestag in Bonn
eine bedeutende
Position in der deutschen Nachkriegsarchitektur einnehmen sollte.[43]
Ab
Mitte 1943 wurde immer deutlicher, dass weder die notwendige Anzahl an
Bau-
oder Zwangsarbeitern noch das notwendige Material für die
Errichtung von BfB
zur Verfügung standen, ergriff Robert Ley erneut die
Initiative und veranlasste
Hitler, gegen den Widerstand weiter Teile der politischen
Führung des Regimes,
ihm durch den „Erlaß über die Errichtung
des Deutschen Wohnungshilfswerks“[44]
nochmals eine große Aufgabe zu übertragen. Martin
Bormann, Leiter der
Parteikanzlei der NSDAP und politisch geschickt taktierender
Sekretär von
Hitler, kommentierte die Kompetenzausweitung für Ley
handschriftlich auf einem
Aktenvermerk mit den Worten: „Ich glaube nicht, das irgend
eine äußere Maßnahme
zur Stärkung der Stellung Dr. Leys beitragen kann. Mit
äußeren Mitteln kann man
ein Ansehen weder erringen noch erweitern noch auf die Dauer halten. Die
Leistung [Hervorhebung im Original,
d. Verf.] entscheidet! Im übrigen: Herr Speer hat mehrfach
geäußert, nach dem
Krieg müsse selbstverständlich der Wohnungsbau von
ihm übernommen werden, unter
Ley ´würde nichts daraus`!“.[45]
Die Reaktion von Albert Speer fiel dagegen pragmatisch aus, da er sich
aufgrund
seiner Stellung und seines Vertrauensverhältnisses zu Hitler
sicher war, dass
Ley im Nachkriegswohnungsbau nicht die entscheidende Rolle
würde spielen
können, da diese von Speer selbst besetzt sei.
Für
das DWH griff Ley auf die bereits eingerichteten
Gauführungsstäbe im Rahmen des
BfB zurück, um schnellstmöglich Ergebnisse vorweisen
zu können. Anders als die
BfB bestand das Behelfsheim des DWH aus einer kleinen Hütte
mit den Innenmaßen
4,10 Meter mal 5,10 Meter; in den zwei
vorgesehen Räumen, die
durch einen
kombinierten Ofen/Herd beheizt werden sollten,
waren
Schlafmöglichkeiten für
bis zu sechs Personen vorgesehen. Durch eine
Landzugabe von 200
m² sollten die
Behelfsheimbewohner in die Lage versetzt werden, sich selbst mit Obst
und
Gemüse zu versorgen, sofern von Seiten des
Grundeigentümers ein ausreichend
ertragversprechender Grund und Boden zur Verfügung gestellt
wurde. Bauherren
konnten Einzelpersonen, Firmen oder Gemeinden sein, wobei die
Finanzierung der
im Volksmund „Ley-Laube“ genannten
Häuschen vom Deutschen Reich übernommen
wurde. Der Bauherr erhielt von der Gemeinde eine Baukarte, für
welche er nach
Fertigstellung des Gebäudes die Summe von 1.700,- RM erhielt.[46]
Mit dem Besitz der Baukarte erwarb der Bauherr einen Anspruch auf
geringe
Mengen von kontingentierten Baustoffen, sofern er diese nicht selber
stellen
konnte. Da im Rahmen des DWH auch die Winterfestmachung von vorhandenen
Gartenlauben, die notdürftige Wiederherstellung von
beschädigten Wohnungen und
der Ausbau von Dachgeschossen zu den unterstützten
Maßnahmen zur
Wohnraumschaffung gehörten,[47]
ist eine Beurteilung, wie viele Behelfsheime tatsächlich
errichtet wurden,
weitgehend unmöglich.[48]
Für Frankfurt am Main lassen sich ca. 450 Behelfsheime
nachweisen, in Hamburg
standen etwa 4.000; diese Zahl relativiert sich, wenn man
berücksichtigt, dass
nach dem Krieg in Hamburg nochmals bis zu 45.000 Behelfsheime errichtet
wurden.
Dem
bekannten Sprichwort, dass nichts so lange hält wie ein
Provisorium, kann für
die Behelfsunterkünfte für Bombengeschädigte
nicht ohne weiteres zugestimmt
werden; zumindest lässt sich nach heutigem Forschungsstand im
Gegensatz zu den
Behelfsheimen des Deutschen Wohnungshilfswerks kein einziges dieser
Gebäude
mehr nachweisen. Allerdings ist zu bemerken, dass zum einen die
Aktenlage über
diese Behelfsheimaktion nicht in ausreichendem Maße
detailliert ist, wodurch
die Suche nach eventuell noch bestehenden Gebäuden der Suche
nach der
Stecknadel im Heuhafen gleichen müsste. Zum anderen sind diese
Gebäude zu einer
Zeit errichtet worden, in der haltbare Baustoffe Mangelware waren und
der
Verfall innerhalb weniger Jahre dramatisch war. Zusätzlich
ließen die
Erfahrungen mit den Versuchsbauten in Berlin-Buch erkennen, das so
manche
Konstruktion nicht ausgereift und damit auch statisch nicht dauerhaft
tragfähig
war.
Unbestreitbar
bleibt jedoch, dass mit der Aktion Behelfsunterkünfte
für Bombengeschädigte
eine Reihe wichtiger Akteure des Nachkriegswohnungsbaus Erkenntnisse in
neuen
Bauverfahren erlangten. Für Ernst Neufert bot sich die
Möglichkeit, sein
Normungssystem nach der 1,25-Meter-Teilung im praktischen Betrieb zu
überprüfen
bzw. einzuführen, die Fachleute der einzelnen verantwortlichen
Baufirmen erwarben (begleitet von
den Materialprüfungsanstalten
Stuttgart, Dresden und Berlin) Erkenntnisse zu neuen Bauverfahren; hier
wären
beispielsweise der Stahlseitenbeton der Deutschen Bau AG oder das
Montagebauverfahren der Preussag in Rüdersdorf zu nennen. Da
die beteiligten
Firmen auch nach dem Herbst 1943 in der Rüstung oder im Rahmen
des Deutschen
Wohnungshilfswerks tätig waren, konnte der Großteil
der beteiligten Architekten
und Bauingenieure die UK-Stellung halten und somit nach 1945 eine Rolle
im
Wiederaufbau in Deutschland übernehmen. Als herausragendes
Beispiel sei hier
Robert von Halasz genannt, der an der Entwicklung des
Montagebauverfahrens der
Preussag beteiligt war und nach dem Krieg, obwohl mit einem
Baukonstruktions-Lehrstuhl in West-Berlin versehen, den Planungsstab
von
Hermann Henselmann bei der Errichtung des ersten Bauabschnitts der
Ost-Berliner
Stalin-Allee beriet.[49]
Da
durch Bombenkrieg und Flucht und Vertreibung aus den verlorenen
Ostgebieten in
Deutschland ein Wohnraummangel von heute unvorstellbarem
Ausmaß zu verzeichnen
war – die zeitgenössischen Schätzungen
gingen allein für das Gebiet der
späteren Bundesrepublik Deutschland von fehlenden Wohnungen
für etwa 20
Millionen Menschen aus[50]
- erscheint die Anzahl von 22.500 Wohneinheiten im Rahmen der
BfB-Aktion als
Tropfen auf den heißen Stein; alleine in Frankfurt am Main
ist zwischen 1941
und 1945 das Zehnfache an Wohnraum verloren gegangen. Darüber
hinaus ist nicht
mehr feststellbar, wie viele der begonnen Gebäude bis in die
Nachkriegszeit hinein
überhaupt fertig gestellt wurden oder bereits vor Ende des
Zweiten Weltkriegs
zerstört wurden. Gemessen an den langfristigen Ergebnissen
erschien die
BfB-Aktion als augenscheinlich gescheitert. Dabei darf allerdings nicht
übersehen werden, dass viele tausend durch den Luftkrieg
obdachlos gewordene
Menschen durch die Errichtung dieser Behelfsbauten ein Dach
über dem Kopf
erhielten. In der eklatanten Wohnungsnot der frühen
Nachkriegszeit war ein
Unterkommen in einem solchen Gebäude ein Glücksfall
für die Menschen, die sonst
in Ruinen, Scheunen, ehemaligen Luftschutzbunkern und anderen
provisorischen
Unterkünften hätten überleben
müssen.
Auch
wenn die „Ostarbeiter“ vielleicht nicht ein solches
Leid ertragen mussten wie
die Insassen von Konzentrations- und den zugehörigen
Arbeitslagern, so muss
doch berücksichtigt werden, dass auch bei der BfB-Aktion durch
die
unmenschliche Ausbeutung von Zwangsarbeitern eine nicht bestimmbare
Anzahl an
Menschen ihr Leben verloren hat. Die Fortschritte in der Technik des
Montagebaus
sind, wie so viele Technologiebereiche, welche durch den Zweiten
Weltkrieg
immense Entwicklungssprünge gemacht haben, auch hier in ihren
Ursprüngen
moralisch behaftet. Jedoch ist es heute einfach, ein
abfälliges Urteil zu
fällen: für den damals beteiligten Unternehmer,
Ingenieur, Baufachmann,
Arbeiter bedeutete die Entwicklung und Produktion der Baustoffe und
–verfahren
aufgrund der Kriegswichtigkeit die UK-Stellung und somit ein Entkommen
vom
Kriegseinsatz. Bis heute bleibt die Verantwortung, dass eine Situation,
in der
solche Entscheidungen notwendig würden, erst gar nicht mehr
eintritt.
BArchB: Bundesarchiv Berlin
BfB: Behelfsunterkünfte für
Bombengeschädigte
DAW: Deutsche Akademie für
Wohnungswesen e.V.
DWH: Deutsches Wohnungshilfswerk
GB-Bau: Generalbevollmächtigter für die
Regelung der Bauwirtschaft
GBI: Generalbauinspektor für die
Reichshauptstadt
SWD: Der
soziale Wohnungsbau in Deutschland
UK: Unabkömmlich – vom
Kriegsdienst freigestellt
WD:
Der Wohnungsbau in Deutschland