Im Rahmen der nationalsozialistischen Umgestaltung von Berlin in die „Reichshauptstadt Germania“ fanden erste wissenschaftliche Versuche zu einer verkehrstechnisch sicheren Beleuchtung in Straßentunneln statt. Heute erinnern nur noch wenige Fragmente an die damalige aufwändige Planung.[1]
Am 16. September 1964 erschien in der „Welt am Sonntag“ eine Todesanzeige der Deutschen Phillips GmbH für den kurz zuvor verstorbenen Dr.-Ing. Eberhard von der Trappen, welcher „sich mit hervorragendem Fachwissen und mit seiner ganzen Persönlichkeit für das internationale Ansehen unseres Unternehmens auf dem von ihm geleiteten Spezialgebiet“ eingesetzt hatte.[2] In diesem Spezialgebiet, der Beleuchtung im Straßenverkehr, war von der Trappen fast 30 Jahren lang als führender Fachmann anerkanntermaßen tätig gewesen.
Von der Trappen, 1899 in Dortmund geboren, hatte in Hannover und Dresden Elektrotechnik studiert. Nach verschiedenen kurzen Beschäftigungsverhältnissen trat er 1927 eine Stelle als Betriebsingenieur bei der Berliner Bewag (Berliner Kraft- und Licht-AG) an, wo er schnell Karriere machte. Bereits nach einem halben Jahr wurde er Leiter eines Verkehrsbüros und übernahm ab 1930 die Leitung der Abteilung Öffentliche Beleuchtung.[3] 1938 wurde er vom „Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt“ (GBI), Albert Speer, zum „Beauftragten für das Beleuchtungswesen des GBI“ ernannt und somit zuständig für alle verkehrstechnischen Beleuchtungsfragen für Berlin und andere Umgestaltungsstädte im Reich. In seinem ersten Vortrag als Beleuchtungsbeauftragter bei einer Fachtagung der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft an der TH Berlin am 27.10.1938 äußerte er sich zufrieden über die neuen Einflußmöglichkeiten:[4]
„Es muß als ein uns Lichttechniker sehr erfreuendes Moment festgestellt werden, daß sich die Baumeister der neuen Straßen Adolf Hitlers nicht mit einer schnellen Lösung der Beleuchtungsfrage begnügen und dann zu Anlagen kommen, die von dem Althergebrachten nicht sonderlich abweichen, sondern daß man sich so ausgiebig mit den Problemen der guten, schönen und zweckmäßigen Beleuchtung befaßt, daß die Lichttechniker warme Köpfe bekommen.[…] Wir sind stolz darauf zu wissen, daß der Führer selbst hier und da trotz zweifellos wichtigerer Dinge, die von ihm beurteilt werden müssen, noch Zeit findet, sein Urteil in lichttechnischen Dingen in die Waagschale zu werfen. […]“
Die hier genannte Achsenplanung war das Kernstück der Umgestaltungspläne für Berlin in die Reichshauptstadt „Germania“. Der erste – und einfachere Teil – war die Fertigstellung der Ost-West-Achse (Kaiserdamm – Straße des 17. Juni – Unter den Linden) im Jahre 1938 mit der Veränderung des Straßenprofils, der Versetzung der Siegessäule vom Königsplatz vor dem Reichstag auf den Großen Stern und die Errichtung von über 1600 Straßenlaternen, deren Entwurf von Speer persönlich stammte und die in ihrer lichttechnischen Gestaltung durch von der Trappen ausgeführt wurden. Der zentrale Bereich der projektierten Nord-Süd-Achse sollte von der „Halle des Volkes“ nordwestlich des Reichstags über vier Kilometer nach Süden durch den Stadtkörper geschlagen werden und seinen Abschluß in einem Südbahnhof in Höhe der heutigen Papestraße finden.[5]
Da für den Kreuzungsbereich der beiden Prachtstraßen das Aufstellen von Ampeln als unangemessen empfunden wurde, mußten die Planer des GBI umfangreiche Straßentunnel planen. Dabei orientierten sie sich in Breite und Gefälle an vergleichbaren Bauwerken anderer europäischer Länder, um diese in Ausmaß, Gestaltung und Sicherheitsstandards in den Schatten zu stellen.[6] Gleiches galt für die Beleuchtung der Tunnel, wie von der Trappen in dem bereits erwähnten Vortrag weiter ausführte:
„Zu der Beleuchtung der Ost-West-Achse und der geplanten Nord-Süd-Achse gehört auch die Beleuchtung der Verkehrstunnel, die eine Kreuzung des Verkehrs im Schnittpunkt der beiden Achsen ausschließen sollen.“[7]
Aus dieser Planung folgte eine mehrjährige Versuchs- und Entwicklungstätigkeit. Als erste Versuchsstrecke bot sich die neben der Berliner Humboldt-Universität liegende nördliche Rampe des Lindentunnels an,[8] wo auf 100 Meter Länge mit verschiedenen Installationen die Vorgaben für neu zu entwickelnde Beleuchtungsgeräte festgelegt werden sollten. Von der Trappen hatte zu diesem Zweck fünf Leitsätze formuliert:[9]
Die erste
Versuchsreihe,
bei der die Lichtmessung und technische Dokumentation in den
Händen von
Mitarbeitern der Firma Osram lag, fand – unbeeindruckt vom
beginnenden Zweiten
Weltkrieg – zwischen Oktober 1939 und
Februar 1940 statt. Die
Finanzierung der
Versuche war zu diesem Zeitpunkt keineswegs gesichert; es bestand
jedoch
Einigkeit, daß öffentliche Einrichtungen
für die Kosten heranzuziehen seien, um
keinen Interessenkonflikt durch die Beteiligung der Privatwirtschaft
entstehen
zu lassen.[10]
Da
bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die
Adaptionszeit des Auges
vorlagen, mußte diese
zunächst ermittelt werden; der
Wert lag bei 1 bis 2
Sekunden, was bei der
Geschwindigkeit von 60 km/h einer
Fahrtstrecke von ca. 70
Metern entsprach.[11]
Um Irritationen des Auges zu vermeiden, wurde eine
gleichmäßige Ausleuchtung
der Tunneldecke angestrebt; die Lichtstärke der Ein- und
Ausfahrten sollte an
das jeweilige Außenlicht angepaßt sein, was eine
erhöhte Anforderungen an die
Regelbarkeit der Beleuchtungsstärke mit sich
brachte. Zusätzlich fiel die
erhebliche Belastung der Gehäuse durch den Winddruck der
passierenden Fahrzeuge
auf.[12]
Im Februar 1940 wurden ausgewählte Ergebnisse der ersten Versuchsreihe mit Fotos dokumentiert und eine Präsentation für Albert Speer vorbereitet.[13] Anschließend erfolgte die Demontage und Verlegung der Versuchsanordnung in den östlichen der beiden Straßentunnelstutzen unter der Ost- West-Achse, welche in Höhe des heutigen Sowjetischen Ehrenmals als Bauvorleistung erstellt worden waren, um ein erneutes „Aufreißen“ der Straße beim Bau der Nord-Süd-Achse zu vermeiden. Während der Lindentunnel nur eine Fahrbahnbreite von sechs Metern zuließ, sollten die geplanten Straßentunnel tatsächlich bis zu 14,5 Meter breit sein. Hier erhielten verschiedene Firmen nun die Möglichkeit, ihre speziell nach den festgelegten Anforderungen entwickelte Beleuchtungsgeräte in realistischer Größenordnung zu testen; beteiligt waren die Siemens-Schuckert-Werke (SSW) sowie die Firma Hellux, die AEG-Beleuchtungskörper GmbH, sowie die Firma Goerz als Tochter der Zeiss Ikon.
Zunächst belegte die AEG die Versuchsstrecke, wobei deren mit Spiegeln bzw. Nitra-Lampen ausgestatteten Geräte nicht den Vorstellungen von der Trappens entsprachen.[14] Anschließend übernahmen abwechselnd Zeiss/Goerz, AEG und SSW den Tunnel für Versuche. AbHerbst 1941 blieben Leuchten der SSW eingebaut, die zwar in ihrer Beleuchtungscharakteristik dem gewünschten Ergebnis sehr nah kamen, jedoch die für den mittleren Tunnelbereich angestrebte Lichtstärke von 40 Lux nicht erreichten.[15] Dieses Manko sollte durch die Verdoppelung der Leuchtenanzahl behoben werden, was sich jedoch nicht mehr realisieren ließ. Aus den halbjährlichen Berichten von der Trappens an den GBI gehen deutlich die fortschreitenden Schwierigkeiten durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft hervor. So wurde selbst die Anforderung zur Freigabe geringer Mengen an Material (363 kg Eisen, 22,2 kg Kupfer, 0,9 kg Messing, 18 kg Aluminiumblech) im Oktober 1941 abgelehnt.[16] Zuvor waren bereits kurzzeitig die Zugänge zum Versuchstunnel zugemauert worden; von der Trappen vermutete hinter dieser Aktion eine Anordnung der Gestapo.[17] Weitere Versuche scheiterten nicht zuletzt am fortschreitenden Fachkräftemangel durch Einberufungen zum Kriegsdienst.
Zum 01.03.1943 ließ der GBI sämtliche Arbeiten an Umgestaltungsplänen einstellen, viele der beteiligten Personen verloren ihren Status der „UK-Stellung“ [unabkömmlich, d.Verf.], und in den Tunnel zog eine unterirdische Rüstungsproduktion ein. Von der Trappen trat als Ingenieur in die Organisation Todt ein,[18] geriet zum Ende des Krieges in amerikanische Gefangenschaft und arbeitete anschließend bis zu seinem Tod 1964 bei der Firma Phillips GmbH.
Die Suchanfragen an die Archive der beteiligten Firmen ergaben bislang kaum Hinweise auf die damaligen Versuche.[19] Sicherlich sind jedoch die gewonnenen Erkenntnisse durch die überlebenden Fachleute in die Entwicklung der Tunnelbeleuchtung nach dem Zweiten Weltkrieg eingeflossen, so wie auch von der Trappen seine Fachkenntnis in weitere Tätigkeiten einbringen konnte. Nach gravierenden Abrissen im Bereich des Bebelplatzes und des Maxim-Gorki-Theaters ist der Lindentunnel heute, wenn man überhaupt noch davon sprechen kann, nur noch fragmentarisch vorhanden. In den Tunnelstümpfen unter der Straße des 17. Juni sind in der Betonkonstruktion noch die vorbereiteten Aussparungen für die Beleuchtung erkennbar. Lediglich zwei verrostete und verbogene Leuchten im östlichen Tunnelstutzen erinnert noch heute an die vor über 65 Jahren erstmals formulierten Ansprüche an verkehrstechnisch sichere Tunnelbeleuchtung, die auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.[20]